Kristiane Müller-Urban: Vom Toast Hawaii zur Entenbrust. 50 Jahre deutsche Küche Im Laufe der Zeit wurde ich älter und lernte andere Gerichte kennen. Es ist die Zeit zwischen 1959 und 1969. Ich sage nur Toast Hawaii. Du weißt nicht was das ist? Dieses Lieblingsgericht der Deutschen damals erblickte um die Mitte der 50er Jahre das Licht der Küche. Jetzt erst war ich groß und durfte selber in der Küche werkeln. Der Toast Hawaii war in aller Munde, an der Schnitte hat sich sogar der Jahrhundertkoch Bocuse vergriffen. Wichtig ist eine Scheibe Toastbrot. Alsdann toaste das fade Brot im Toaster, bestreiche die Scheibe mit Butter, lege eine Scheibe gekochten Schinken, eine Scheibe Ananas aus der Dose und eine Scheiblette, das ist Schmelzkäse in Scheiben darüber. Dann ab mit diesem Päckchen in den heißen Backofen. Wenn der Käse sich wie eine wärmende Decke über die anderen Zutaten gelegt hat, füllt eine kussmundrote Cocktailkirsche die entstandene Kuhle, wo der geschmolzene Käse in das Loch der Ananasscheibe gesunken ist. Wenn du es nicht verrätst: Ich überpuderte den Käse zusätzlich mit Cayennepfeffer und gieße etwas Ketchup um die Kirsche herum. Solche frühen Finessen deuteten schon darauf hin, was ich später einmal, wenn ich erwachsen bin, machen werde, nämlich Rezepte verfeinern und erfinden. Irgendwann in dieser Zeit kamen auch Ravioli, Fischstäbchen, tiefgekühlte Pommes frites, und natürlich die Pizza auf und bereicherten unseren Speisezettel. Zu Ravioli sage ich nicht viel, weil sie nie richtig schmecken, auch nicht mit Dosenerbsen verrührt, mit Käse bestreut und im Ofen überbacken. Nein! Auch Fischstäbchen und tiefgefrorener Spinat gehören nicht zu meinen Favoriten. Wohl aber Pizza. Und wenn ich dir jetzt erzähle, wie meine erste selbstgebackene Pizza aussah, dann darfst du richtig laut lachen. Wie die deutsche Frau einen richtigen italienischen Pizzateig zubereitet, machte schnell die Runde: Mehl, Wasser, Salz und etwas Olivenöl. Wasser fand ich ärmlich und Olivenöl war damals auch nicht beliebt (es war allerdings auch nicht so lecker wie heute). Beliebt war ?Speiseöl?, was immer sich dahinter verbarg. Statt Wasser nahm ich Milch und statt Olivenöl flüssige Margarine. Den ausgerollten Teig legte ich wie für gedeckten Apfelkuchen in die Springform. Sodann häufte ich Tomatenscheiben, Schinkenscheiben, Käsescheiben, Champignonscheiben aus der Dose in die Form, bis sie randvoll gefüllt war. Dann streute ich etwas getrocknetes Oregano darüber und schob die Form in den Ofen. Das war meine Kuchenpizza. Meine damalige Freundin hat behauptet, es hätte ihr geschmeckt. Heute esse ich Pizza nur, wenn sie ein Italiener gebacken hat.